Zum Neujahrsempfang 2014 — Ein Offener Brief an unseren Bürgermeister

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Hollatz,

noch vor wenigen Monaten haben Sie verkündet, dass die Gemeinde Lilienthal gut aufgestellt ist.

Auf dem Neujahrsempfang 2014 ließen Sie die anwesenden Bürger wissen, dass Sie zuversichtlich ins neue Jahr blicken. Wie ist denn das möglich, wenn Sie doch im selben Atemzug die Finanzsituation „Ihrer“ Kommune desolat oder schwierigst nennen? Scharf kritisierten Sie die Umgangsformen der Kommunalpolitiker in den Rats- und Ausschusssitzungen. Zukünftig, so haben Sie es angekündigt, wollen Sie diesen Umgangston nicht mehr dulden.

In der Tat, es gibt schon lange nahezu kaum noch eine Rats- oder Ausschusssitzung, auf der die Mitglieder des Rates mit Fachwissen glänzen und politische Themen im Interesse der Bürger und der Gemeinde kompetent vortragen und diskutieren. Die Gemeinderats- und Ausschusssitzungen sind zu einer Bühne der Selbstdarstellung mutiert. Die Ratsmitglieder schwadronieren und schauspielern, mehr noch, sie streiten mit Lust und suhlen sich im vermeintlichen Erfolg, wenn wieder einmal ein Vorschlag von der Mehrheit der Ratsmitglieder abgeschmettert wurde. Inhalte sind längst auf der Strecke geblieben, „wir sind ja nur Feierabendpolitiker“, so werden das fehlende Fachwissen und die mangelnde Kompetenz entschuldigt.

Ja, die Mitglieder dieses Gemeinderates sind das Problem dieser Gemeinde und Sie, Herr Bürgermeister, sind Teil dieses Problems.

Als Sie 2004 Ihr Bürgermeisteramt angetreten haben, haben Sie den Lilienthaler Bürgern Änderungen versprochen.

Zitat: „Die finanzielle Lage der Kommunen in Niedersachsen ist dramatisch – so auch in Lilienthal. Kommunalpolitik bedeute immer häufiger die Verwaltung des Mangels. Deshalb werde die Haushaltskonsolidierung der Gemeindefinanzen in den nächsten Jahren die zentrale Aufgabe sein. Nur so kann für die künftigen Generationen der Spielraum für wichtige Politikfelder geschaffen werden. Von einer Finanzpolitik der vergangenen Jahre, die vielfach von dem Faktor Hoffnung getragen wurde, müssen wir endlich zu einer realistischen Haushaltspolitik kommen. Entscheidungen hinter verschlossenen Türen, wie in diesem Jahr zum Thema Einnahmeverbesserung, oder hektischer Aktionismus zu den jährlichen Haushaltsberatungen müssen der Vergangenheit angehören. Nur wer Haushaltskonsolidierung als Daueraufgabe begreife, könne Lilienthal wieder auf einen soliden Kurs bringen. Ich kann und will mich für eine solche Neuausrichtung einsetzen.“ (Wümme-Zeitung 21.05.2004)

Eine lobenswerte und mutige Ankündigung wäre das gewesen, wenn sie wirklich ehrlich und wörtlich so gemeint war. Aber das war sie nicht. Sie war eine Ansammlung von längst abgedroschenen Phrasen. Es fehlte ein Konzept, das aufzeigt, was konkret zu tun ist, um die Probleme der Gemeinde zu lösen.

Die Gesamtschulden sind zum 31.12.2012 auf ein Rekordniveau von 76,416 Mio. € gestiegen. Allein die Schulden des Kernhaushaltes stiegen in den letzten 5 Jahren um 45 Prozent! Die Haushaltsdefizite stiegen von 1996 bis 2012 auf 9,158 Mio. €.

Sie haben bis heute keinen Vorschlag vorgelegt, wie und wann Sie diesen Schuldenberg von 76,416 Mio. € abtragen wollen, unter der Bedingung der Vermeidung von Neuschulden. Sie haben bis heute keinen Vorschlag vorgelegt, wie Sie die jährlichen Haushaltsdefizite in Haushaltsüberschüsse wandeln wollen, zumindest sollten Sie sagen, wie Sie wenigstens, mit Fakten belegt, ausgeglichene Haushalte nachhaltig und dauerhaft erwirtschaften wollen.

Der im Haushaltsentwurf 2014 angekündigte Haushaltsausgleich ab 2015 und Folgejahre basiert auf Hoffnung, auf der Hoffnung, dass das robuste Wirtschaftswachstum in Deutschland anhält und damit auch der Gemeinde Lilienthal über die Anteile der Einkommensteuer nochmals deutliche Zuwächse beschert. Nach wie vor wachsen die Einnahmen der Gemeinde nur durch die Anteile an der Einkommensteuer, nicht durch die eigene Einkommenskraft. Aber nach wie vor wachsen die Ausgaben der Gemeinde und überschreiten die Einnahmen. Kein Wort ist von Ihnen zu hören, wie denn die Ausgabenflut der Gemeinde Lilienthal gestoppt werden soll und was passiert, wenn die Wirtschaftskraft in der Bundesrepublik nachlässt, die Einkommensteueranteile für Lilienthal schrumpfen und die Schuldzinsen steigen?

Sie verweigern sich, den Bürgern die wahre finanzielle Situation der Gemeinde vorzutragen. Warum informieren Sie nicht die Bürger darüber, dass die Schulden noch deutlich höher sind, wenn man die unterlassenen und auf die Folgejahre verschobenen Sanierungsaufwendungen für Straßen und Gebäude hinzuaddiert? Die Gemeinde verschiebt allein nahezu 11 Mio. € an Straßensanierungsaufwendungen (2012) der Kategorie A in Folgejahre, obwohl diese Kategorie aussagt: „Straßensanierung dringend erforderlich, Verkehrssicherheit ist gefährdet“! Die gesamten aufgeschobenen Sanierungsaufwendungen betragen mehr als 14 Mio. €. Um diese aufgeschobenen Sanierungsarbeiten abzuarbeiten, braucht Lilienthal mehr als 20 Jahre, wobei in diesen 20 Jahren dann aber keine neuen Sanierungsarbeiten auftreten dürften.

Warum klären Sie die Bürger nicht auf, dass der Anteil der Kosten an der Straßenbahn Linie 4 nicht 4,2 Mio. € beträgt, wie er von Ihnen persönlich einmal als maximal noch verantwortbaren Betrag genannt wurde? Auch die 6 Mio. €, die zum Zeitpunkt der Entscheidung für die Linie 4 bereits feststanden, gelten längst nicht mehr. Noch vor der Insolvenz der Baufirma Walthelm lagen die Kosten bereits schon bei 8 Mio. €. Durch die Insolvenz der Firma Walthelm werden diese Kosten nochmals deutlich steigen.

Die Linie 4 ist ein finanzielles Desaster. Wir möchten Sie daran erinnern, dass die Entscheidung zur Linie 4 wohl nur durch Drohung des damaligen Bremer Bausenators und des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten zustande gekommen ist. Der Bremer Bausenator wollte den Weiterbau des Anschlussstückes und der Brücke nach Borgfeld stoppen, wenn Lilienthal nicht sofort und unverzüglich für die Linie 4 stimmen würde. Wo war Ihr Protest gegen die Machenschaften dieses Senators?

Warum klären Sie die Bürger nicht auf, wie hoch die jährlichen Folgekosten der Linie 4 sein werden, und zwar die Kosten, die die Gemeinde zu tragen, und die Kosten, die die WBL zu leisten hat. Die Buslinien 630/670 kosten der Gemeinde jährlich ca. 0,4 Mio. €, die Kosten der Linie 4 werden wahrscheinlich die 1-Mio.-€-Grenze überschreiten.

Der demografische Wandel geht auch an Lilienthal nicht spurlos vorüber. Wo bleibt Ihre Information an die Bürger, dass 6 Grundschulen und 15 Kindergärten/Krippen unter der Bedingung der ausbleibenden Geburtenraten und Neuzuzüge nicht zu halten sind? Seit Jahren wird darüber diskutiert. Warum legen Sie kein Konzept vor, wie Sie sich die Zukunft der Schul- und Kindergartensituation vorstellen? Die vielen Leserbriefe und Kommentare belegen, dass die Bürger aufgrund von Unkenntnis verunsichert sind, weil ihnen Sachinformationen und Zukunftsperspektiven fehlen. Und wieder wird ein Gutachten für ca. 50.000 € in Auftrag gegeben, obwohl der Verwaltung eine Vielzahl von Gutachten und Auswertungen zum demografischen Wandel vorliegt. Es fehlt nicht an Informationen, es fehlt am Mut der Verwaltung und des Rates, den Bürgern die Wahrheit zu sagen. Verwaltung und Rat möchten sich von der Verantwortung durch ein weiteres Gutachten freikaufen.

Warum fehlt Ihnen der Mut, den Bürgern zu sagen, dass das Hallenbad ein stetiger Sanierungsfall ist und bleiben wird und den Ansprüchen an ein modernes Freizeit- und Sportbad nicht mehr genügt? Allein in den letzten beiden Jahren erwirtschaftete das Hallenbad nahezu 800.000 € Verluste. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Weder die Fraktionen noch Sie waren bereit, sachlich fundiert und frei von Emotionen über vorliegende Alternativen zu diskutieren.

Es fehlt Ihnen auch der Mut, den Bürgern zu erklären, dass allein die Personalkosten der Verwaltung über 25 % an den Gesamteinnahmen des Gemeindehaushaltes ausmachen. Diese hohen Personalkosten kann sich Lilienthal auf Dauer nicht leisten, aber von der Bereitschaft zur interkommunalen Zusammenarbeit ist Lilienthal meilenweit entfernt.

Warum schreiten Sie nicht ein, wenn ein Ottertunnel für 350.000 € unter der Linie 4 in Falkenberg gebaut wird als angeblichen Teil der Ausgleichsmaßnahme für die gefällten 340 Bäume, die Vernichtung von Biotopen und Vorgärten oder die versiegelten Flächen? Der Ottertunnel ist jedenfalls kein Ersatz für die durch die Linie 4 entstandenen Umweltschädigungen! Eine Gemeinde, die Zuschüsse für Vereine und Stiftungen streicht, sich aber einen Ottertunnel leistet, für Otter, die bisher noch nicht einmal in Lilienthal gesichtet wurden, hat offensichtlich die finanzielle Orientierung verloren.

Warum lassen Sie zu, dass die Fraktionen dem Antrag der Feuerwehr unter Ausblendung der Fakten zustimmen, einen Feuerwehrrüstwagen für 460.000 € anzuschaffen? Die Berechnungsunterlagen dokumentieren, dass Lilienthal mit technischer Ausrüstung gut versorgt ist. Eine Gemeinde, die sich am finanziellen Abgrund befindet, darf sich keine Ausgaben leisten, die zwar wünschenswert, aber nicht zwingend geboten sind.

Diese Auflistung von Versäumnissen und Fehlentscheidungen ließen sich mit weiteren Beispielen erweitern.

Sie, Herr Bürgermeister Hollatz, sind neben dem Rat und dem Verwaltungsausschuss das dritte Organ der Gemeinde mit wichtigen selbstständigen Entscheidungszuständigkeiten. Sie sind Leiter der Verwaltung, Ihnen steht mit der Verwaltung fachkompetentes Verwaltungspersonal zur Verfügung. Fachkompetenz, die die Ratsmitglieder als Feierabendpolitiker nicht haben können. Wir werfen Ihnen vor, dass Sie sich in den Jahren Ihrer Amtszeit nur als Ausführungsorgan von Gemeinderats- und Verwaltungsbeschlüssen verstanden haben, nicht aber als der Steuermann, der Lotse dieser Gemeinde.

Sie haben die Fachhoheit über Rat und Ausschüsse längst verloren, die Ratsmitglieder folgen Ihnen nicht mehr. Wir sind sehr gespannt darauf, wie Sie Ihre Ankündigung zur künftigen Ratsarbeit umsetzen werden.

---       Lilienthal, den 15.01.2014       ---

 

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