Bauleitplanung Viehreihe/Jan-Reiners-Weg

Kommentar zur Bauausschusssitzung am 16.02.2015

 

Die Wümme-Zeitung berichtete am 18.02.2015 über die zwei Tage zuvor stattgefundene Bauausschuss­sitzung. Auf der Tagesordnung stand u.A. auch die Beratung und Beschluss­fassung über das neue Baugebiet „Viehreihe/Jan-Reiners-Weg“. Wir haben erneut in der Bürgerfragestunde kritisiert, dass in Lilienthal bei geplanten Bauvorhaben hinsichtlich der erwarteten Einnahmen und Ausgaben und der damit verbundenen späteren Belastungen für die Gemeinde keine Berechnungen vorgenommen würden und Bauausschuss und Gemeinderat damit ohne Rechen­grundlage „blind“ entscheiden würden. Kein privater Bauherr und kein Unternehmen würden derartige Bauvorhaben ohne vorherige Berechnungen der Einnahmen und Ausgaben und der zu erwartenden Belastungen einer Entscheidung zuführen. Die Fraktionen in Lilienthal begnügen sich seit Jahrzehnten mit der Wunschvorstellung, dass sich die „Projekte schon rechnen“ werden. Das Ergebnis dieser Entscheidungskultur kennen wir, Lilienthal hat nahezu 100 Millionen € an Schulden angehäuft. Insofern war die Headline des Kommentars der Wümme-Zeitung nicht korrekt, wenn formuliert wurde: „Baugebiete rechnen sich“. Die Aussage stimmte gerade deshalb nicht, weil in Lilienthal Berechnungen, insbesondere auch bei Großprojekten, nicht angestellt werden.

Es sollte eine Selbst­verständlichkeit sein, dass die Verwaltung als Teil der Bauplanung eine Berechnung den Gremien vorlegt, wie hoch die jährlichen Einnahmen für die Gemeinde bei den geplanten Bauvorhaben durch Grundsteuer und Einkommen­steueranteil sein werden. Auf der Ausgabenseite muss berechnet werden, mit welchen Investitions­aufwendungen zu rechnen ist bzw. wie hoch die jährlichen Ausgaben für zusätzliche Kinderkrippen‑, Kindergarten- und Grundschul­plätze durch die Neubürger sein werden.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass für diese Neubaugebiete Verkehrsflächen anzulegen sind, die nach Fertigstellung jährliche Unterhalts‑, Pflege- und Sanierungsausgaben verursachen. Die Verwaltung wäre durchaus in der Lage, eine Planeinnahmen- und Ausgabenrechnung den Gemeindegremien zum Zeitpunkt der Planung und vor Entscheidung vorzulegen.

Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Fraktionen im Bauausschuss und im Gemeinderat diese Berechnungsgrundlagen von der Verwaltung nicht einfordern und im „Blindflug“ über derartige Vorhaben Entscheidungen treffen.

Es war doch bemerkenswert, dass auf der Bauausschusssitzung immerhin die Vertreter von SPD, Grüne und Die Linke bekundet haben, dass der unkontrollierte Flächenverbrauch in Lilienthal „so nicht weitergehen kann“. Bedauerlicherweise haben auch die Vertreter dieser Parteien dem Projekt Viehreihe/Jan-Reiners-Weg dann dennoch ihre Zustimmung gegeben.

Es ist elementar, dass neben der Finanzfrage noch einmal erwähnt werden muss, dass Lilienthal im Vergleich zur Bundesrepublik und im Vergleich zum Land Niedersachsen mit 13,5 % einen bereits heute schon deutlich höheren Flächenverbrauch mit 17.2 % aufweist. Dieser Flächenverbrauch geht zu Lasten von wertvollen landwirtschaftlichen Nutz- und Landschaftsflächen, und diese Flächen gehen durch die Bautätigkeit unwiderruflich verloren.

Dass die Gemeinde Lilienthal, die sich einmal stolz die „Oase vor den Toren der Großstand Bremens“ nannte, ihren charmanten und seit nahezu 800 Jahren geprägten Charakter durch Straßenbahn, Kahlschlag und dem Ausweis vieler von Großinvestoren initiierten Einheits- Neubauflächen nahezu eingebüßt hat, sei nur am Rande erwähnt. Lilienthal geriert sich heute als Bremer Stadtteil, als Schlafstadt von Bremen. Die Hoffnung der Verwaltung und der Parteien, aus Lilienthal eine attraktive, mit einem eigenständig geprägten Charakter ausgestaltete Gemeinde oder Stadt zu entwickeln, wo man gerne wohnt und gerne zum Bummeln und Einkaufen in den Ortskern geht, wo Touristen gerne die Natur mit Wümme und Wörpe und den Moor- und Wiesenflächen bewandern, wird durch diese konzeptlose „Bauwut“ zunichte gemacht. Die Wählergemeinschaft weist darauf ständig hin.

Zur gleichen Aussage kommt auch der Redaktionsleiter Gerwin Möller vom Wümme-Report am 18.02.2015, wenn er formuliert:

Mit Fertigstellung der Straßenbahn­anbindung an Bremen verändert sich in Lilienthal nicht nur das Ortsbild, künftig wird der Kommune auch eine ganz neue Funktion zugewiesen. Durch den Schienen­anschluss verwischen die politischen Grenzen zum benachbarten Bundesland noch stärker. Wer sich wünscht, dass die Straßenbahn nicht nur Pendler in die Hansestadt fährt, sondern auch Kunden an die Wörpe bringt, muss herkömmliche Wege verlassen. Lilienthal ist dabei, ein Stadtteil Bremens zu werden. Bei der Veränderung seines Ortsbildes darf Lilienthal aber nicht sein Gesicht verlieren. Wenn die Reste des ortstypischen niedersächsischen Bauernhauses, das architektonisch in seiner Art im Eigenheim mit Giebeldach seine Fortsetzung erfuhr, komplett vom Haustyp Stadtvilla abgelöst wird, geht eine Charakter­eigenschaft verloren. Im Zentrum droht den Planern, dass verklinkerte Geschossbauten in die Höhe ragen, ehe ein Konzept definiert, was dort zur zu erneuernden und zur erhaltenswerten Struktur zählen soll.

Es fehlt für Lilienthal immer noch ein Gesamtkonzept, und es fehlt den Ratsmitgliedern der Mut, sich den Interessen der Bau- und Finanzinvestoren zu widersetzen.

Ein gutes Beispiel ist der neuerliche Versuch des Investors Müller, im Ortskern ein „Hochhaus“ als Geschäfts- und Wohnhaus zu bauen, das in der geplanten Version in der Einbindung zu der Bausubstanz im Ortskern ein Fremdkörper darstellen würde. Es wird interessant sein zu sehen, ob sich Bauausschuss und Rat auch diesem Investorendiktat unterwerfen werden.

Wann endlich finden unsere Ratsmitglieder den Mut, sich den privat­wirtschaftlichen Interessen von Bauinvestoren zu widersetzen und auch und insbesondere dreiste Erpressungsversuche zu verbitten? Wann endlich bequemen sich unsere Ratsmitglieder ein Gesamtkonzept für die Neugestaltung der Gemeinde Lilienthal, insbesondere des Ortskerns, zu entwickeln? Bis zur Formulierung und Verabschiedung dieses Konzeptes muss der Wildwuchs an Neubaugebieten endlich aufhören!

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