Keineswegs stehe die Kommune Lilienthal vor dem Bankrott! — Ein Offener Brief

 

Sehr geehrter Herr Schauer,

so konnten die Ratsmitglieder und wir Bürger es von Ihnen auf der Finanzausschusssitzung der Gemeinde Lilienthal am 29. Juli 2014 vernehmen. Die Wümme-Zeitung berichtete am 31.07.2014 über diese Sitzung.

Sie suggerieren mit dieser Äußerung, dass Verwaltung und insbesondere die Mitglieder des Gemeinderates in ihrem undisziplinierten Ausgabeverhalten auch in der Zukunft so weitermachen können wie bisher, auch und gerade weil der Gemeinde ein „Bankrott“ noch lange nicht drohen würde. Mit Ihrer Aussage bestärken Sie die Vorstellung der Gemeinderatsvertreter, dass die Gemeinde Lilienthal von der Kommunalaufsicht nichts zu befürchten habe – wenn überhaupt, dann erst, wenn die Gemeinde „bankrott“ ist.

Warum sagen Sie den Ratsmitgliedern und den Bürgern nicht die Wahrheit? In allen 16 Gemeindeverordnungen der Bundesländer ist festgeschrieben, dass ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Kommune unzulässig ist! Mit anderen Worten: Einen Bankrott für eine deutsche Kommune gibt es nicht, auch nicht für Lilienthal, nachzulesen im NKomVG § 135 Abs. 2 ! Der Gesetzgeber konnte den „Bankrott“ für die Kommunen per Gesetz ausschließen, weil er alle Bürger für die Schulden der Kommunen durch Steuern, Abgaben und Leistungskürzungen in Haftung nimmt.

Sie verweisen darauf, dass Lilienthal noch über ein Reinvermögen von 36,5 Mio. € verfügt. Dieses Reinvermögen besteht zum großen Teil aus „nicht verwertbarem“ Vermögen, oder haben Sie eine Idee, an wen die Gemeinde z.B. Straßen oder die Schienen der Linie 4 im Notfall verkaufen könnte?

„Andere Kommunen sind noch schlechter dran“, sagten Sie. Wollten Sie damit zum Ausdruck bringen, dass die Gemeinde weiter ungebremst Schulden machen und durch ihr undiszipliniertes Ausgabeverhalten auch weiter Haushaltsfehlbeträge tolerieren darf, vielleicht so lange, bis die Überschuldung endlich eingetreten ist?

Seit 2008, also in nur 6 Jahren, stiegen die Schulden im Kernhaushalt der Gemeinde um 49,5 Prozent, von 38.898.730 € um 19.247.621 € auf 58.146.351 €! Bis zum 30.06.2014 stiegen die Nettoschulden weiter um 2.232.082 €, und für die zweite Hälfte 2014 sind weitere Schuldensteigerungen angekündigt.

Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Pro-Kopf-Verschuldung Lilienthals weit über dem Landesdurchschnitt liegt und die Liquiditätskreditquote die Genehmigungsgrenze um ein Mehrfaches übersteigt.

Wenn wir zu den Schulden des Kernhaushaltes noch die Schulden der Nebenbetriebe zum 31.12.2012 hinzufügen, dann reden wir über einen Schuldenberg von 80.250.062 €, eine Steigerung gegenüber 2012 um 3.842.652 €.

2013 erwirtschaftete die Gemeinde Lilienthal erneut einen Fehlbetrag von 948.709 €. Die geplanten und erhofften positiven Ergebnisse in den Jahren 2014 bis 2017 sind fremdbestimmt und nur dann zu erreichen, wenn sich der Zinssatz auf dem aktuellen Rekord-Niedrigwert halten kann und die Konjunktur weiter auf dem jetzigen hohen Niveau verharrt. Ändern sich diese beiden Parameter nur geringfügig, versinkt Lilienthal in einem Finanzchaos. International anerkannte Wirtschafts- und Finanzexperten halten ein Zinsniveau auf diesem historisch niedrigen Stand und eine Konjunktur auf diesem Niveau mittelfristig für unrealistisch.

Seit Jahren nun unterlässt die Gemeinde Lilienthal notwendige Straßensanierungen aus Geldmangel; 2012 lag der Betrag der unterlassenen Straßensanierungen bei 14,344 Mio. €, 2013 waren es schon 15,784 Mio. €, wiederum eine Erhöhung um 1,440 Mio. €. Wenn wir diese 15,784 Mio. € den Gesamtschulden der Gemeinde hinzurechnen, dann beträgt die Höhe der Schulden dieser Gemeinde nicht 80,259 Mio. €, sondern 96,043 Mio. €. Unterlassene Straßensanierungen sind Schulden an die Bürger, die ihren Finanzierungsbeitrag über Steuern und Abgaben längst erfüllt haben.

In Ihrem Haushaltsgenehmigungsschreiben vom 21. März 2014 schreiben Sie, dass „eine jährliche Entschuldung von mindestens 150.000 € anzustreben ist, um eine deutliche und spürbare Verringerung der Schulden zu erfüllen“. Bei einem Schuldenberg von 80,259 Mio. € würde dies bedeuten, dass die Gemeinde erst in 535 Jahren entschuldet ist, wenn man unterstellt, dass in diesen 535 Jahren keine Haushaltsdefizite erwirtschaftet und keine Kredite mehr aufgenommen werden. Ihre Empfehlung zu diesem Schuldenabbau kann man nicht mehr ernsthaft kommentieren.

Sie ließen die Ratsmitglieder auf der Finanzausschusssitzung wissen, dass die „Kommunalaufsicht eigentlich momentan gar keine Kredite mehr genehmigen dürfe“. Schon vor einigen Monaten sagten Sie, dass für Lilienthal „der Punkt, dass man Kredite in dieser Höhe vom Grundsatz her nicht mehr genehmigen kann, schon lange erreicht ist“.

Ein „eigentlich“ kann es im Genehmigungsverfahren nicht geben. Entweder Sie dürfen Kredite genehmigen, oder Sie dürfen es nicht mehr, weil belegt ist, dass die Gemeinde der Überschuldung mit Riesenschritten entgegensteuert.

In Ihrem Haushaltsgenehmigungsschreiben formulieren Sie, dass „eine Ausweitung der Verschuldung auf jeden Fall vermieden werden muss und wenn sich die Notwendigkeit weiterer Investitionen ergeben sollte, müssen diese durch Einsparungen an anderer Stelle kompensiert werden“. Wir fragen Sie, wie die Gemeinde dies umsetzen soll.

Der Gemeinderat hat bereits weitere Investitionen verabschiedet, da ist z.B. der Feuerwehrrüstwagen mit einem Betrag von nahezu 500.000 € oder der Kindergarten Wümmekieker mit ca. 3.000.000 € oder die Mehrkosten der Straßenbahn Linie 4, die u.a. auch durch die Insolvenz der Firma Walthelm verursacht wurden. Vollkommen unberücksichtigt sind die möglichen Kosten, die durch einen Rechtsstreit mit der Firma Walthelm entstehen könnten, weil die WBL der Firma Walthelm einseitig den Vertrag aufgekündigt hat. Ganz zu schweigen von der möglicherweise notwendigen Investition eines Grundschulneubaus, wenn die beauftragten Experten der Bad Godesberger Projektgruppe „Biregio“ im Rahmen ihrer Untersuchung der sechs Grundschulen in Lilienthal zu dem Ergebnis kommen, dass zwei oder sogar drei Grundschulstandorte aufgrund des demografischen Wandels verbunden mit dem Rückgang der Schülerzahlen zu schließen sind. An welchen anderen Stellen sehen Sie denn die Möglichkeit der Einsparungen, um die erneut geplanten Investitionen gegenfinanzieren zu können?

Wenn auch der Gemeinderat keine Möglichkeit der Einsparungen in der Größenordnung der geplanten Neuinvestitionen sieht, und davon dürfen wir fest ausgehen, bedeutet dies doch wohl, dass die Kommunalaufsicht Kredite für die geplanten Neuinvestitionen (Feuerwehrrüstwagen, Kindergarten, Straßenbahn Linie 4, Grundschulneubau) nicht genehmigen darf. Wie anders wäre die Weisung in Ihrem Haushaltsgenehmigungsschreiben vom 21. März 2014 zu verstehen? Was passiert aber, wenn der Gemeinderat diese geplanten Neuinvestitionen genehmigt und die Verwaltung daraufhin rechtsverbindliche Verträge schließt? Werden Sie diese Weisung dann wieder formulieren? Wenn der Gemeinderat im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts diese Verträge abschließt, bleibt der Kommunalaufsicht nichts anderes übrig, als die beantragten Kredite zu genehmigen, obwohl „der Punkt, dass man Kredite in dieser Höhe vom Grundsatz her nicht mehr genehmigen kann, schon lange erreicht ist“.

Es geht schon lange nicht mehr um die Frage, ob die Kommunalaufsicht die Zweckmäßigkeit einer Investition zu prüfen oder ob sie nur die Rechtmäßigkeit dieser Investition zu prüfen hat. Es geht um die Frage, ob der Gemeinderat sich endlich ernsthaft und geschlossen der Kommunalaufsicht gegenüber, mit Daten belegt, verpflichtet, mit der Haushaltskonsolidierung zu beginnen, oder ob sich der Gemeinderat dieser Verpflichtung nicht unterziehen will, um sich weiterhin nur und ausschließlich am Erhalt von Wählerstimmen zu orientieren, so wie in der Vergangenheit Jahr für Jahr praktiziert!

Dass der Lilienthaler Gemeinderat zu einer wirkungsvollen Haushaltskonsolidierung nicht in der Lage und auch nicht willens ist, hat er in der Vergangenheit belegt, und es deutet nichts darauf hin, dass dieser Gemeinderat im Interesse dieser Gemeinde und der Bürger seiner Aufgabenverpflichtung nachzukommen gedenkt.

Selbst der Vorsitzende des Lilienthaler Gemeinderates räumt das Versagen dieses Gemeinderates ein, wenn er auf der Finanzausschusssitzung am 21.05.2014 formuliert: „Das Kernproblem sind wir alle hier im Rat, wenn wir nicht bereit sind, harte Entscheidungen zu treffen.“

Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber den § 175 ins NKomVG geschrieben und formuliert, dass ein Beauftragter dann einzusetzen ist, „wenn und solange der geordnete Gang der Verwaltung einer Gemeinde nicht gewährleistet ist und die Befugnisse der Kommunalaufsichtsbehörde nach den §§ 172 bis 174 nicht ausreichen“. Der Kommentar zu diesem Paragrafen geht noch einen Schritt weiter und formuliert, dass „es schon genügen würde, wenn die Kommunalaufsicht nach pflichtgemäßer Prüfung die Bestellung eines Beauftragten für das allein Erfolg versprechende Mittel hält“.

Seit Jahren kritisiert der Landkreis in seinen Genehmigungsschreiben an die Gemeinde Lilienthal das Haushaltsgebaren der Gemeinde und verweist darauf, dass „die dauernde Leistungsfähigkeit der Gemeinde als sehr gefährdet anzusehen ist“. Was muss noch passieren, bis die Kommunalaufsicht eingreift? Auch das Rechnungsprüfungsamt weist in seinem Prüfungsschlussbericht vom 16.07.2014 erneut auf die nicht mehr gewährleistete Leistungsfähigkeit der Gemeinde Lilienthal hin.

Insofern stimmen wir der Aussage des Ratsherrn Harald Rossol uneingeschränkt zu, dass der Landkreis Mitverantwortung für das Finanzdesaster in Lilienthal trägt.

---       Lilienthal, den 11.08.2014       ---

 

Wenn Sie diesen Text als druckbares Dokument herunterladen möchten, dann klicken Sie bitte hier:

Download