Das neue Grundschulkonzept

Ein Offener Brief

 

Sehr geehrter Herr Sekunde,

offensichtlich hat sich die CDU von der kommunalen Realpolitik gänzlich verabschiedet. Auf der Finanzausschusssitzung am 08. Juni 2015, auf der über den 1. Nachtragshaus­haltsplan für das Haushaltsjahr 2015 und somit über eine weitere Erhöhung der Liquiditäts­kredite auf 14 Mio. € und über einen erneuten Zuschuss der Gemeinde für die Linie 4 von über 1,8 Mio. € an die WBL diskutiert und entschieden werden musste, glänzte die CDU durch Abwesenheit. Die CDU war nicht einmal willens, symbolhaft einen Vertreter in diese für die Gemeinde existenzielle Sitzung zu entsenden, um zumindest den Anschein aufrecht­zuerhalten, dass die CDU ihre Mitverantwortung für den desaströsen Haushalt der Gemeinde annimmt und beizutragen bereit ist, die zu befürchtende Zahlungs­unfähigkeit der Gemeinde Lilienthal abzuwenden.

Schaut man sich die Lilienthaler CDU-Homepage an, verstärkt sich der Eindruck, dass sich die CDU nicht mehr, obwohl Mitglied des obersten Organs der Kommune, ihrer Verantwortung für die Aufgaben­erfüllung in der Gemeinde stellen will. Der letzte Eintrag unter „Aktuelles“ ist datiert vom 18. Mai 2012 und beschäftigt sich mit der „Erweiterung der Gärtnerei Weingärtner“. Es gibt keinen Hinweis auf dieser Homepage oder Stellungnahmen oder Konzepte, wie die CDU gedenkt, die hohe Verschuldung der Gemeinde abzubauen, wie die Gemeinde nach Jahrzehnten der jährlichen Haushalts­defizite zu nachhaltigen Überschüssen kommen kann.

Es gibt keine Information an die Bürger dieser Gemeinde zu Fragen der Höhe des Lilienthaler Anteils an den Investitions­kosten der Linie 4 oder zu der tatsächlichen Höhe der jährlichen Folge- und Betriebskosten und darüber, wie die extrem hohen Mehrkosten für die Betriebskosten der Linie 4 im Haushalt der nächsten Jahrzehnte aufgebracht werden sollen. Es gibt keinen Kommentar zu der befürchteten Annahme, dass die ursprünglich prognosti­zierten Fahrgastzahlen der Linie 4 niemals zu realisieren sind mit der Folge, dass die Beförderungskosten für die Gemeinde höher ausfallen werden, als ursprünglich angenommen. Es gibt keine Vorschläge auf der CDU-Homepage, wie die CDU gedenkt, die stetig steigenden Kosten der Gemeinde nachhaltig reduzieren zu können, oder Antworten auf den nicht mehr zu verantworteten Flächenverbrauch in Lilienthal.

Vor drei Tagen konnte man nun in den regionalen Lilienthaler Medien lesen, dass die CDU-Fraktion zur Schließung von 2 Grundschulen „Klartext von der Kommunalaufsicht“ fordert, weil die CDU davon ausgeht, dass die Entscheidung des Rates zur Schließung von 2 Grundschulen „eindeutig den Vorgaben der Kommunalaufsicht“ widerspricht. Die CDU will nun die Rechtmäßigkeit des Ratsbeschlusses durch die Kommunalaufsicht prüfen lassen. Die CDU sollte in diesem Zusammenhang dann auch die Rechtsmäßigkeit des Ratsbeschlusses zur Linie 4 prüfen lassen. Auch hier wurden die Vorgaben der Kommunalaufsicht nicht berücksichtigt, und die CDU-Zustimmung zur Linie 4 erfolgte, obwohl damals schon jedermann wissen musste, dass die von der Verwaltung und der WBL vorgelegte Datenbasis zum „Jahrhundert­bauwerk Linie 4“ auf höchst wackeligen Füßen stand.

Vor kurzem ließen Sie wissen, dass über die „Sinnhaftigkeit“ der Linie 4 nicht mehr zu diskutieren sei, da die Straßenbahn nun mal da sei und man nun das Beste daraus machen müsse. Der Finanzaus­schuss und der Gemeinderat haben jüngst für eine Neukonzeption der Grundschulen in Lilienthal mehrheitlich votiert. Müsste die CDU folgerichtig dann nicht jetzt auch sagen, dass über die „Sinnhaftigkeit“ der Entscheidung zur neuen Grundschul­konzeption nicht mehr zu reden ist, weil der Rat sich eindeutig für diese Neukonzeption entschieden hat?

Wir können nicht erkennen, dass die CDU konkrete und harte Fakten gegen das Biregio-Gutachten vorgelegt hätte. Die CDU diffamiert die Gutachter von Biregio, beschimpft die Fraktionen, die für das neue Konzept votiert haben, und hofft durch populistische Aussagen offensichtlich auf Wählerstimmen. Sie wissen sehr genau, dass der Landkreis die Entscheidung des Rates respektieren muss. Die Kommunen in Deutschland verwalten in eigener Verantwortung ihre Angelegenheiten. Die Kommunen als öffentlich-rechtliche Körperschaften haben ein Recht auf Selbstverwaltung, das auch der Landkreis als Aufsichtsbehörde respektieren muss und nicht aushebeln kann. Ihre öffentlich gemachte Aufforderung an den Landkreis, die Rechtmäßigkeit des Ratsbeschlusses zur neuen Grundschulstruktur zu prüfen, dient offensichtlich nur dazu, den Bürgern in Seebergen und Frankenburg vorzugaukeln, wie intensiv sich die CDU für die Belange dieser Gemeindeteile einsetzt.

Es geht beim neuen Grundschulkonzept eben nicht nur um die Frage der Kosten für die Neustrukturierung der 6 Grundschulstandorte, sondern eben auch und gerade um ein modernes pädagogisches Konzept.

Der jahrgangs­übergreifende Unterricht ist kein pädagogisches Konzept, sondern ist aus der Not der geringen Schülerzahlen pro Jahrgang heraus geboren. Den Schulen gehen die Kinder aus, bedauerlicherweise eben auch in Lilienthal.

Die CDU ignoriert die Folgen des demografischen Wandels, der auch an Lilienthal nicht vorübergehen wird. Das Problem der geringen Schülerzahlen in Grundschulen ist ein bundesweites Thema, allein in Niedersachsen befinden sich annähernd 70 % der Grundschulen mit weniger als 50 Schülerinnen und Schülern im ländlichen Raum. Lilienthal steht mit diesem Phänomen der weiter schrumpfenden Schülerzahlen nicht alleine da und hätte eine Neustrukturierung schon vor Jahren beschließen müssen.

Die CDU ignoriert die Ergebnisse des Prüfungsauftrages zur „Wirtschaftlichkeit kleiner Grundschulen“ des Landesrechnungshofes Niedersachsen aus dem Jahr 2014, dass sich die Schülerzahlen der Grundschulen im Zeitraum 2002 bis 2013 um 20,7 % verringert, sich demgegenüber die Anzahl der Grundschulen aber um lediglich 6,6 % reduziert hätten. Nach der Verordnung für die Schulor­ganisation (SchOrgVO) sind Grundschulen mit mindestens einer Klasse pro Jahrgang (Einzügigkeit) zu führen.

Im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsaspekten verlangt das Niedersächsische Schulgesetz ein regional ausgeglichenes und gleichzeitig wirtschaftliches Bildungs­angebot und verpflichtet die Schulträger, Schulen zusammenzulegen oder aufzuheben.

Allein die Personalkosten pro Schüler variieren zwischen 5.333 € an den kleinsten Grundschulen und 3.451 € an den größten Grundschulen, so das Gutachten. Neben den im Gutachten dargestellten finanziellen Unwirtschaft­lichkeiten wird gerade auch darauf hingewiesen, dass es für kleine Grundschulen ein großes Problem ist, die erheblichen organisatorischen und pädagogischen Herausforderungen bewältigen zu können, um auch qualitativ im Vergleich zu größeren Schulen bestehen zu können.

Kleine Grundschulen haben zudem angesichts ihrer personellen Ressourcen Schwierigkeiten, insbesondere die Aktivitäten außerhalb des Unterrichts (Schulleitertreffen, Fachkonferenzen und Fortbildungen) erlasskonform zu gestalten.

Der Landesrechnungshof hält es auch für Niedersachsen für unabdingbar, Mindest­schülerzahlen für Grundschulen vorzugeben und insbesondere Schulen mit weniger als 50 Schülerinnen und Schüler aufzuheben, die unterhalb der Einzügigkeit liegen.

Die Ergebnisse des Prüfauftrages des Landesrechnungshofes sind nicht theoretischer Natur, sondern beschreiben treffsicher gerade auch die Grundschul­situation in Lilienthal. Im Übrigen lassen sich die brisanten Wirtschaftlichkeitsaspekte auf die 15 Kindergärten Lilienthals übertragen. Über kurz oder lang wird sich der Gemeinderat auch mit dieser Situation kritisch auseinandersetzen müssen. Andere Kommunen haben längst aus einer Vielzahl von Kleinstkindergärten größere Einheiten geformt und damit erhebliche Kosten eingespart, ohne pädagogische Beschränkungen in Kauf nehmen zu müssen.

Es ist erfreulich, dass sich die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen beim Thema der neuen Grundschulkonzeption vom Populismus und Wählerstimmenfang befreit haben und trotz Beschimpfung durch CDU und Querdenker von ihrer Meinungsbildung nicht haben abbringen lassen.

Es ist bemerkenswert und sollte der CDU zu denken geben, dass selbst die Schulleitungen der Grundschulen in Lilienthal keinen Zweifel daran ließen, dass sie inklusive Ganztagsschulen mit hoher Qualität und gleicher Ausstattung wünschen mit Mensa und Küche, allein schon um der Konkurrenzsituation unter den Schulen in Lilienthal entgegen zu wirken, und somit auf der Gemeinderatssitzung für den Vorschlag der Grünen und der SPD zur neuen Grundschul­konzeption stimmten.

Wir hoffen sehr, dass die CDU zur Sachlichkeit im Interesse der Bürger dieser Gemeinde schnell zurückfindet und ihr populistisches Kampfgetöse aufgibt.

---       Lilienthal, den 05.08.2015       ---

 

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